31.07.2022
Ein biophiler Essay über das Lachen
Mit meinem Beitrag im Band „Die Wiederkehr des autoritären Charakters“ stelle ich die Frage, wie man autoritären Auftritten intuitiv begegnet und worin die Bedeutung des Lachens im politischen Denken liegt.
Vor dem Hintergrund der Gedanken von Hannah Arendt, Michel Foucault und Henri Bergson möchte ich zeigen, dass das begriffliche Dreieck Autorität-Widerstand-Intuition ein guter Ausgangspunkt für die Auseinandersetzung mit jenem Lachen ist, das wichtige Impulse zum Aufbrechen geronnener und starr gewordene (Miss-)Verhältnisse und Macht-Mechanismen setzen und damit unser Handeln und Denken auf lebendige, leib- und erlebensnahe Weise wieder in Bewegung bringen kann.
Der Sammelband von Manuel Clemens, Thorben Päthe und Marc Petersdorff (Springer 2022) widmet sich dem Neuerstarken des autoritären Charakters und der subalternen Persönlichkeitsstruktur und bringt Sozial- und kulturwissenschaftliche Perspektiven aus Deutschland und den USA zusammen.
Hier geht’s zum Buch und zu Informationen über seine anderen spannenden Beiträge
31.05.2022
Zusammen mit zwölf weiteren, spannenden Forschungsprojekten wurde nun auch mein Thema beim offiziellen Festakt des neuen Promotionskollegs am 31. Mai 2022 in München vorgestellt. Ich freue mich darauf, dabei zu sein!
29.12.2021
Das Jahrbuch Praktische Philosophie in globaler Perspektive (Nr. 5) widmet sich dieses Mal dem unserer Tage so wesentlichen Begriff der „Solidarität“.
Mein Beitrag „Solidarische Funken: Verschieden sein, gemeinsam handeln. Über den Wert postliberaler Solidarität für einen Pluralismus der Lebensweisen“ ist ein Diskussionsangebot zur Frage, welche Merkmale ein Solidaritätsbegriff für pluralistische Gemeinschaften aufweisen soll. Vor dem Hintergrund gegenwärtiger Gedanken zu einer transnationalen Solidarität (Carol C. Gould) und einer politischen Solidarität (Sally J. Scholz) erfolgt ein Blick auf postliberale Anfangsstunden moderner Solidaritätsbegriffe und damit auf ein wertvolles Ensemble von Ideen, deren kritische Aktualisierung sich heute noch lohnen kann. Die Frage lautet, inwiefern sich in den Arbeiten von Auguste Comte, Émile Durkheim, Alfred Fouillée und Charles Gide Spuren einer pluralitätsfördernden Solidaritätsauffassung finden lassen und warum diese Überlegungen heute nicht in jeder Hinsicht vorbehaltlos übernommen werden können.
23.12.2021
„Vorsicht Kunst! – Zur Bedeutung des ostdeutschen Filmerbes“
Unter diesem Motto steht die diesjährige Ausgabe des Journals, denn 2021 feierte der DEFA-Film seinen 75. Geburtstag.
Als Redakteur danke ich allen Autorinnen und Autoren für eine intensive und spannende Zusammenarbeit.
Einige Themen, die mich in diesem Jahr am meisten bewegt haben: Wie ging es in den letzten Jahren im DEFA-Studio für Dokumentarfilme zu und wie entstand einer meiner Lieblingsfilme, flüstern & SCHREIEN, über die Rockszene und das ihr entsprechende Lebensgefühl in der Vorwende-DDR? Auf welche Weise fördert man den filmpädagogischen Einsatz von DEFA-Filmen, wie diskutiert man sie im Unterricht? Wie konnte mit Orpheus in der Unterwelt in der DDR eine opulente und mit sozialkritischen Untertönen geschmückte Operetten-Verfilmung auf 70mm entstehen? Inwieweit verweisen die dramaturgisch und ästhetisch inszenierten Nebenrollen alter Frauen im DEFA-Gegenwartsfilm auf reale Stereotype und Erwartungshaltungen der sozialistischen Gesellschaft?
Hier geht’s zum kostenfreien Download des Journals auf der Website der DEFA-Stiftung
12.11.2021
Das diesjährige Cinefest steht unter dem Motto „Westwärts. Osteuropäische Filmschaffende in Westeuropa“.
Während des Kongresses werde ich einen Blick auf Slatan Dudows DEFA-Filmwerk werfen, um sein Verhältnis zum realistischen Gegenwartsfilm zu beleuchten. Der Vortrag steht unter dem Titel:
»Wir haben in unseren Filmen bewiesen, dass die Gegenwart langweilig ist.« Slatan Dudow und die Sorge um den realistischen DEFA-Film der 1950er- und frühen 60er-Jahre
Als Slatan Dudow diesen Satz zu seinen Kolleginnen und Kollegen im DEFA-Studio für Spielfilme sagte, litt die ostdeutsche Kinofilmproduktion längst an einer schwindenden Publikumswirksamkeit. Als anerkannter Regisseur und streitlustiger Redner wirkte Dudow in »erster Reihe« mit an der Gestaltung und Verständigung sozialistisch-realistischer Ansprüche an die Filmkunst. Mit ihr das Publikum zu erreichen, war die oberste Mission. Ob mit packendem Ernst oder dem bösen Lachen der Satire bzw. dem heiteren der Komödie: auch seine Filme sollten unterhalten und dabei gleichzeitig das Denken aktivieren. Welche Wege schlug Dudow in diesem Ringen um eine ansprechende realistische Dramaturgie und bildliche Gestaltung ein? Seine Suche nach »typischen« Figuren und Karikaturen (Frauenschicksale, Der Hauptmann von Köln) und Versuche zur Inszenierung des Gegensatzes von sozialistischer Utopie und dem »Ewiggestrigen« (Unser täglich Brot, Familie Benthin) sowie mit der Darstellung des für die Gegenwart sinnstiftenden, tradierungswürdigen Gehalts der Geschichte etwa des antifaschistischen Widerstands (Stärker als die Nacht) waren von Anerkennung und Schematismus-Kritik begleitet. Er wandte sich den Problemen und Chancen der Jugend zu (Verwirrung der Liebe), aber auch den Widersprüchen einer sich zwar zur Emanzipation bekennenden, aber teils noch unter starren Vorurteilen leidenden Gesellschaft zu (Christine). Dabei stieß er nicht selten auf kulturpolitische, produktionsbedingte und womöglich sogar eigene Grenzen. Der Vortrag ist ein Werkstattbericht zu einigen aktuellen Forschungsfragen eines derzeit entstehenden Sammelbands über Werk und Leben des Regisseurs.
Wir freuen uns auf viele Filme von Slatan Dudow, darunter die Premiere des neu rekonstruierten Fragments seines letzten Films Christine.
12.09.2021
20.9.2021: Film & Gespräch im Kino Toni
Slatan Dudows wohl bekanntester Spielfilm Kuhle Wampe aus den Jahren 1931/32 zählt zu den wichtigsten »proletarischen« Filmen und wird oft im selben Atemzug mit Piel Jutzis Mutter Krausens Fahrt ins Glück (1929) oder Sergej Eisensteins sowjetischen Revolutionsfilmen Streik (1925) und Panzerkreuzer Potemkin (1925) erwähnt. Der Film thematisiert die elenden Lebensbedingungen der Arbeitenden, vor allem der Arbeitslosen am Höhepunkt der Weltwirtschaftskrise.
Das hat den Zensoren damals nicht gefallen, man befürchtete eine »Gefährdung der Ruhe und Ordnung«. Kuhle Wampe wurde erst komplett verboten, konnte dank öffentlicher Proteste und mit Schnittauflagen dann aber doch noch sein Publikum erreichen. Der Film endet mit einem Gespräch zwischen Fahrgästen in einem Bahnabteil: Wer soll denn nun die Welt verändern? »Die, denen sie nicht gefällt!« Der anschließende Einzug der Arbeiterinnen und Arbeiter in einen dunklen Tunnel kann im Nachhinein sogar als prophetisch gedeutet werden. Denn die, die dann tatsächlich kamen, um die Welt zu ändern, trugen keine roten Fahnen, sondern braune Jacken.
12.07.2021
Online-Workshop an der Universität Vechta, am 19. Juli 2021, 11:00-16:00 Uhr
»Nicht weil sie alles umfasst, sondern weil sie von überall kommt, ist die Macht überall. […] Die Macht ist der Name, den man einer komplexen strategischen Situation in einer Gesellschaft gibt. […] Die Macht ist nicht etwas, was man erwirbt, wegnimmt, teilt, was man bewahrt oder verliert; die Macht ist etwas, was sich von unzähligen Punkten aus und im Spiel ungleicher und beweglicher Beziehungen vollzieht.«
Michel Foucault: Der Wille zum Wissen
Michel Foucaults Macht-Begriff gehört heute zu den wichtigen Begriffen der Geistes- und Sozialwissenschaften. Innerhalb seines Werkes nimmt die »Macht« als »Brennpunkt der menschlichen Erfahrung« neben dem »Wissen« und den »Selbstverhältnissen« einen zentralen Platz ein. Die Macht ist dabei einerseits ein jeweils historisch konkreter Analysegegenstand und wird hinsichtlich ihrer repressiven und produktiven Ausübung, Effekte und gesellschaftlichen Formationen untersucht (z. B. Disziplin und Biopolitik). Andererseits ist die Macht ein methodisches Werkzeug zur Analyse gesellschaftlicher Verhältnisse und wird von Foucault auf entsprechend allgemeine Weise charakterisiert. Auf der Grundlage des Essays »Subjekt und Macht« und eines Auszugs aus Der Wille zum Wissen möchten wir im Workshop diese allgemeine Charakterisierung der Macht als Werkzeug für kulturwissenschaftliche und sozialkritische Diskurse erarbeiten und uns ebenfalls die Frage stellen, inwieweit diese dynamische, relationale und praxeologische Konzeption überzeugend ist. Der Workshop kann ohne Grundkenntnisse besucht werden und richtet sich an Studierende, die sich mit dem Denken Foucaults vertraut machen möchten. Voraussetzung ist die aufmerksame Lektüre des vierten Kapitels von Der Wille zum Wissen (Kap. IV) und des Aufsatzes »Subjekt und Macht«.
Anmeldung via: r.pikarski@gmail.com
13.05.2021
Einen kleinen Vorgeschmack auf unser Forschungsprojekt gibt’s jetzt beim Jacobin.
Slatan Dudow war einer der bedeutendsten Filmemacher der DDR. Mit seinen Filmen wollte er die Welt nicht unterhalten, sondern sie verändern. Heute ist der bulgarisch-ostdeutsche Regisseur weitgehend in Vergessenheit geraten. Zu Unrecht, wie ich finde.
19.12.2020
Die dritte Ausgabe des DEFA-Journals LEUCHTKRAFT ist erschienen und steht auf der Website der DEFA-Stiftung kostenfrei als pdf-Datei zur Verfügung. Das Heft enthält Beiträge zur DEFA-Geschichte und Arbeit der DEFA-Stiftung.
So reflektiert Evelyn Hampicke in einem Essay die „DEFA-Lederjacke im Wandel der Zeiten“, Thomas Kuschel schreibt über die vergessenen Kinderspielfilme aus dem DEFA-Studio für Dokumentarfilme, Günter Jordan über die Geschichte der AFFAIRE BLUM. Die neue akademische Direktorin der DEFA Film Library, Mariana Ivanova, stellt sich und ihre Arbeit vor. Mehrere Beiträge widmen sich vor kurzem digitalisierten DEFA-Produktionen: Daniela Dahn blickt nach 30 Jahren auf den Film ZEITSCHLEIFEN – IM DIALOG MIT CHRISTA WOLF (Karlheinz Mund, 1990/91) zurück, Claus Löser betrachtet das Werk Petra Tschörtners und Ralf Schenk spürt der Entstehungsgeschichte von KLK AN PTX – DIE ROTE KAPELLE (Horst E. Brandt, 1970) nach. Jörg Foth blickt auf seine Assistenz bei Bernhard Wicki zurück. Akiko Hitomi und Evelyn Schmidt erinnern sich an ihre Arbeit für die japanisch-west-/ostdeutsche Filmproduktion DIE TÄNZERIN (Masahiro Shinoda, 1988/89).
26.11.2020
Prozessphilosophische Essays über die Kontinuität bzw. Diskontinuität menschlichen Lebens zu anderen Lebewesen und welche Bedeutung daraus für seine Zukunft folgt…
Ab sofort ist mein neues Buch erhältlich, das ich gemeinsam mit Spyridon Koutroufinis herausgebe.
Den Menschen nicht in seinem Sein, sondern seinem Werden zu erfassen, bedeutet, sein Wesen bzw. das ihm Wesentliche als Entwicklung und Prozess zu verstehen.
Im Sammelband kommen Autorinnen und Autoren aus verschiedenen prozess- und biophilosophischen, anthropologischen und kulturwissenschaftlichen Diskursen zusammen, um über die Frage zu diskutieren, was den Menschen zum Menschen macht, wenn man von seinem prozessualen Wesen ausgeht und von seinen intuitiven, d. h. kreativen und lebensnahen, aber ebenfalls von den intellektuellen, d. h. symbolischen und technologischen Aktivitäten, mit denen er seine Beziehungen zur Umwelt, anderen Lebewesen und sich selbst gestaltet.
Promotionskolleg "Zeichen der Zeit lesen. Disruptionen - Transformationen - Evolutionen"
2022 - 2024: Integration des Dissertationsvorhabens (s. u.) im Promotionskolleg der Kooperationspartnerschaft Katholischer Hochschulen in Bayern, finanziert mit einem Stipendium der Hanns-Seidel-Stiftung für Demokratie, Frieden und Entwicklung.
Promotionsvorbereitendes Studium
2018 – 2021 an der Hochschule für Philosophie in München mit Schwerpunkten zur Philosophie H. Arendts, dem Solidaritätsbegriff, der Wissenschaftskritik G. Canguilhems und aktuellen Problemen der Sozial– und politischen Philosophie: Zur Vorbereitung einer Dissertation zu H. Bergson und M. Foucault hinsichtlich der Frage nach einem biophilosophischen Intuitionsbegriff für gegenwärtige sozialkritische Diskurse und für ethopoietische Prozesse (vsl. 2023 bei Prof. Dr. M. Reder).
Lehre
Publikationen (aktuelle Auswahl)
Wissenschaftlicher Referent der DEFA-Stiftung,
die sich in Berlin für den Erhalt des ostdeutschen Kinofilmerbes gemeinnützig engagiert und einen wichtigen Teil der nationalen Kultur und deutschen Geschichte aufarbeitet.
Jan 2021 – Jan 2022:
Selbstständige Tätigkeit als Autor, Redakteur und Moderator
2017 – 2020:
Studiengang: Philosophie des Wissens und der Wissenschaften mit den Schwerpunkten Philosophie der Biologie, Prozessphilosophie, Wissenschaftsphilosophie & -Geschichte, Gesellschaftskritik sowie Erkenntnis- & Subjekttheorie (Abschluss mit 1,0). Zusätzlich:
26.11.2020
Mein feuilletonistischer Kommentar entstand auf der Grundlage eines Gastvortrags an der Universität Vechta am 26. November 2020 im Rahmen eines Einführungs-Seminars »Michel Foucault: Wissen und Macht« (Dr. Manuel Clemens) und ist begleitet von der Frage, ob und wie popkulturelle Erzeugnisse und insbesondere der Film einen Einstieg in die Foucault-Lektüre, u. a. zu Themen wie Macht-Mechanismen, Subjektivierung und Heterotopien begleiten können.
24.08.2020
Eine kurze, analytische Fingerübung zu einem eigenwilligen und vitalen Sinn-Begriff, der Georges Canguilhems „Die Erkenntnis des Lebens“ durchzieht und sich für jedes biophilosophische Denken als überaus wertvoll herausstellen dürfte. Nicht nur besteht der Sinn jeder Erkenntnis in deren Einschreibung in das Leben, und zwar als ein das Leben organisierendes Mittel. Vor allem kann der Sinn des Lebens nur in seiner vitalen Interpretation und engen Verbindung mit einer Umwelt verstanden werden, die jeder Organismus erlebend, das heißt aktiv, kreativ und damit fern jeder mechanistischen Reaktionsweise spontan mitgestaltet.
14.05.2020
Es geht in meinem kurzen Kommentar um die Skizze zu einer Idee, den von Hannah Arendt im Sokrates verteidigten Begriff der Pluralität als einen Perspektivismus zu verstehen, der sowohl das politisch-philosophische Denken als auch den politischen Handlungsraum umfassen soll. Ausgangspunkt ist Arendts Intuition, dass die Sokratische Dialektik einen pluralistischen Modus eines dem politischen Handeln nahen Philosophierens darstellt.
06.06.2018
Die digitale Neubearbeitung der ostdeutsch-französischen Koproduktion DIE HEXEN VON SALEM ist noch bis zum 10.6.2018 in der ARTE-Mediathek zu sehen
Der 1957 unter der Regie von Raymond Rouleau realisierte Film entstand nach dem Drehbuch von Jean-Paul Sartre. Die DEFA-Stiftung konnte zusammen mit ihren Partnern sowohl die französische Fassung, wie auch die um eine halbe Stunde aus kulturpolitischen Gründen gekürzte und damit zensierte Fassung digitalisieren, die damals in den Kinos der DDR anlaufen durfte. Die nun veröffentlichte DVD-Edition mit beiden Fassungen ermöglicht Cineasten und Filmwissenschaftlern einen Einblick in die recht ambivalente Beziehung der beiden Koproduktionspartner und die rigorosen kulturpolitischen Bedenken der SED-Führung in den 1950er-Jahren.
15.03.2017
Was meint die Vorstellung, dass Wissen in sozialen Praktiken konstituiert wird und wie untersucht man die historischen Konstitutionsbedingungen dieses Wissens? Nietzsche und Foucault helfen dabei, diese großen Fragen der Philosophie in eine ganz bestimmte Richtung hin zu präzisieren: Was heißt es, dass es bestimmte Formen des Wahrsprechens oder eines Zugangs zur Wahrheit (Wissensstrategien) gibt, die gesamtgesellschaftliche Relevanz haben, ihren Ursprung aber in einem bestimmbaren und spezifischen Ensemble von Praktiken, etwa den juristischen, haben und nicht ohne deren Eingebettetsein und Durchdrungenwerden von konkreten Abhängigkeits- oder Machtverhältnissen verstanden werden können?
PDF: Wissensstrategien – Foucault und die Philosophie als Politik der Wahrheit
15.03.2017
Sind der Wahnsinnige und der Künstler hervorstechende Agenten an den Rändern unserer epistemischen, rationalen diskursiven Landschaft, innerhalb derer wir uns bewegen? Mit welchen Formen der Sprache und Nicht-Sprache wird dieser Grenzbereich des Diskurses eigentlich besetzt und wirkungsvoll gestaltet? Wie organisiert sich dieser Randbereich? Was sind es eigentlich für Wirkungen, die diese freiwilligen und unfreiwilligen Grenzgänger des Wissens von den Grenzen aus ins Zentrum richten? Anhand von drei Beispielen sollen einige Aspekte dieser Randposition herausgearbeitet werden, die ein gewisses kritisches Potential beherbergen: Diderots Rameaus Neffe erscheint mit der Idee, den Wahnsinn und die Kunst als Möglichkeit zu einer sehr dynamischen Positionierung gegenüber den mechanischen und relativ festen Positionen oder Bahnen des gesellschaftlichen und biologischen Lebens einzunehmen. Nietzsches Gedicht Nur Narr! Nur Dichter! stellt der tristen Rationalität und ihrer ‚Es-ist-der-Fall-dass…‘- Mentalität die farbenfrohe Lüge des närrischen Dichters als erkenntnis- und gesellschaftskritisches Moment gegenüber. Foucaults Ordnung der Dinge zeichnet einen epistemischen Grenzgang von Dichtung und Wahnsinn nach, die beide den Raum des Wissens umschließen und etwa mit Don Quijote auf einen historischen Bruch zwischen zwei Denkstilen verweisen.
15.03.2017
Bei der Frage danach, wie viel Symbolisches in den menschlichen Bezugnahmen implementiert ist, trifft man unter anderem auf eine Debatte, die den Bereich der Wahrnehmung einerseits als durchgängig begrifflich strukturiert ausweist oder ihn andernfalls für (auch) nicht-begriffliche Inhalte reservieren möchte. Fred Dretske gilt als einer der bekannteren Vertreter der zweiten Position mit einigen interessanten Vorschlägen, wie die visuelle Wahrnehmung mit Aspekten bestimmt werden kann, die stark für ihren nicht-epistemischen Charakter sprechen. Derart ‚simpel‘, weisen Prozesse des Sehens demnach vorbegriffliche, nicht kognitiv dominierte Eigenarten auf. Dennoch muss man fragen, in wie weit die Vorstellung eines Simple Seeings als derart einfach verstanden werden kann oder ob es sich nicht doch um eine eigentlich recht komplexe ‚Einfachheit‘ handeln könnte. In diesem Zusammenhang werden Überlegungen wichtig, die von Henri Bergsons Texten inspiriert sind.