Das diesjährige Cinefest steht unter dem Motto „Westwärts. Osteuropäische Filmschaffende in Westeuropa“.
Während des Kongresses werde ich einen Blick auf Slatan Dudows DEFA-Filmwerk werfen, um sein Verhältnis zum realistischen Gegenwartsfilm zu beleuchten. Der Vortrag steht unter dem Titel:
»Wir haben in unseren Filmen bewiesen, dass die Gegenwart langweilig ist.« Slatan Dudow und die Sorge um den realistischen DEFA-Film der 1950er- und frühen 60er-Jahre
Als Slatan Dudow diesen Satz zu seinen Kolleginnen und Kollegen im DEFA-Studio für Spielfilme sagte, litt die ostdeutsche Kinofilmproduktion längst an einer schwindenden Publikumswirksamkeit. Als anerkannter Regisseur und streitlustiger Redner wirkte Dudow in »erster Reihe« mit an der Gestaltung und Verständigung sozialistisch-realistischer Ansprüche an die Filmkunst. Mit ihr das Publikum zu erreichen, war die oberste Mission. Ob mit packendem Ernst oder dem bösen Lachen der Satire bzw. dem heiteren der Komödie: auch seine Filme sollten unterhalten und dabei gleichzeitig das Denken aktivieren. Welche Wege schlug Dudow in diesem Ringen um eine ansprechende realistische Dramaturgie und bildliche Gestaltung ein? Seine Suche nach »typischen« Figuren und Karikaturen (Frauenschicksale, Der Hauptmann von Köln) und Versuche zur Inszenierung des Gegensatzes von sozialistischer Utopie und dem »Ewiggestrigen« (Unser täglich Brot, Familie Benthin) sowie mit der Darstellung des für die Gegenwart sinnstiftenden, tradierungswürdigen Gehalts der Geschichte etwa des antifaschistischen Widerstands (Stärker als die Nacht) waren von Anerkennung und Schematismus-Kritik begleitet. Er wandte sich den Problemen und Chancen der Jugend zu (Verwirrung der Liebe), aber auch den Widersprüchen einer sich zwar zur Emanzipation bekennenden, aber teils noch unter starren Vorurteilen leidenden Gesellschaft zu (Christine). Dabei stieß er nicht selten auf kulturpolitische, produktionsbedingte und womöglich sogar eigene Grenzen. Der Vortrag ist ein Werkstattbericht zu einigen aktuellen Forschungsfragen eines derzeit entstehenden Sammelbands über Werk und Leben des Regisseurs.
Wir freuen uns auf viele Filme von Slatan Dudow, darunter die Premiere des neu rekonstruierten Fragments seines letzten Films Christine.